4 Tage „Sturmfrei-Tour“ im Sommer –  die Kinder sind im Zeltlager und wie jedes Jahr die Frage: „Wohin wollen wir fahren?“ Die übliche Dolomitenrunde wurde wegen Verkehrsmassen und Mautterror im Nachbarland abgesagt. Wir wollten mal wieder richtig fahren können, die Landschaft genießen und Freestyle mit Grobplanung eine ganz andere Ecke erkunden. Unsere Wahl fiel auf  Schwarzwald / schwäbische Alp. Klingt spießig? Weit gefehlt!

Die Bikes in das Fluchtauto geladen, Groborientierung Bodensee West als Basislager und los gings. Knapp 300 km durchs schöne Allgäu, entlang des Nordufers vom Bodensee.

Der erste Zeltplatz erwies sich als Schlammgrube, aber Camping Markelfingen hatte alles was das Herz begehrt. Aufbau gibt`s bei uns nicht viel, weil wir bewußt sehr reduziert reisen. Pavillion, Werkzeug, Baustellenradio, Matratze, Freßkiste & Klamotten. Basta. Und natürlich diesmal dabei: die schöne Yamaha RD 350 YPVS und die frisch restaurierte Kawasaki 400 S3A.

Als bekennende Freestyler planen wir die erste Tour erstmal quasi mit dem Finger auf der Landkarte. Eine Serie von gelben Klebezetteln für den Tank ergänzt die nagelneu angeschafften Helm- Intercom Module. Natürlich führen wir auch eine Karte mit uns! Die ist zwar ein paar Jährchen alt…aber das macht es nur noch spannender.

Tagestour 1: Von Radolfzell in den Schwarzwald.

Es dauert ein wenig in dem Strassenbaustellen Dschungel den Zugang zu den Landstrassen nördlich des Naturparks Schaffhausen, in den Schwarzwald hinein, zu finden. Aber der Tag ist ja noch jung und rasch finden wir uns in einer wunderschönen ruhigen Gegend wieder: knapp nördlich von Singen traversieren wir über Tengen und Blumberg Richtung Wutachschlucht. Durch ursprüngliche blitzsaubere Dörfer, langgestreckte Hügel mit Weitblick auf satte Felder die durchzogen sind von lichten Wäldchen und kleinen Flüßen. Die Strassen schlängeln sich auf und ab und der Kurvenspaß setzt ein. Kaum Verkehr und ein sehr entspanntes Fahren. Immer wieder halten wir an und bewundern diese fast klischeehaft deutsche Landschaft. Hier könnte es jetzt auch 1850 sein. Gottseidank sind wir aber nicht zu Pferde unterwegs, sondern reisen entspannt auf unseren herrlich qualmenden Zweitaktern. In der Ferne erkennen wir schon die dunklen Hügel des Schwarzwald. Was uns da wohl erwartet?

Aber erstmal rein in die Wutachschlucht Die macht dann schon richtig Laune. Der Fluß Wutach selbst ist ein bisschen langweilig, aber die Schlucht hält Kurven bereit wie wir sie lieben, ein Auf und Ab dass uns die arbeitsreichen Wochen der letzten Zeit aus den Knochen treibt. Das typische „Rengdengdeng“ unserer Maschinen hallt durch das Tal. Erstaunte Bustouristen auf Fotostopp schauen uns nach. Sie müssen leider zurück in ihren miefigen Bus…

Weiter geht es in den tiefen Schwarzwald. Die lichte Landschaft wechselt nun über in einen dichten Forst. Über den Schluchsee fahren wir Richtung Todtnau. Bedingt durch Touristen muss man jetzt wieder stärker auf den Verkehr achten. Wir treffen auf jede Menge anderer Biker, die wie wir wochentags unterwegs sind. Die blau qualmenden Bikes hinterlassen ihre Duftmarke auf dem Weg durch Ortschaften mit bombastischen Schwarzwaldgehöften mit Schindeln. Überall kleine und große Seen, Kurvengenuß und perfekter Strassenbelag. Langsam wird es Mittag und Zeit für eine große Pause.

Frisch gestärkt geht’s zurück Richtung Schluchsee, da im Hochschwarzwald Strecken baubedingt gesperrt waren. Über Bernau, vorbei am berühmten Feldberg – wo uns die Touristenmassen die Laune etwas verderben – weiter zum Titisee. Auch hier reges Treiben, ausgewiesene Parkzonen und durchorganisierte Infrastrukturen. Da wir für Käfighaltung ungeeignet sind, treibt es uns schnell wieder weiter. Wir finden unseren Weg zurück über Friedenweiler. In Löffingen große Kaffeepause – eine wunderschöne Stadt wie aus dem Märchenbuch. Mit genug Koffein im System nochmals die Wutachschlucht durchknattern und dann über Tengen runter nach Singen. Eine nicht sehr gut gewählte Strecke, aber das ist das Risiko beim Freestylern. Hier entschließen wir uns aus dem Tag noch einen Rest Genuß rauszuquetschen und fahren nach Stein am Rhein. Dort gibt es direkt am See eine Art großen Hügel, den Schiener Berg.

Den kann man umrunden bzw. einmal oben drüber fahren. Wir entscheiden uns spontan nach der halben Umrundung über den Berg zu fahren. Kaum sind wir abseits der Seestrasse, finden wir uns erneut in einer spektakulären Landschaft wieder. Kleine feine Kurvenstrassen ohne Verkehr, wo wir uns den Frust der Hauptverkehrsadern wieder aus dem Blut fahren. Die Aussicht: phantastisch! Kleine Weiler mit alten Häusern und Kleinvieh, Heckenstreifen und ganz viel Ruhe.

Ausser uns natürlich…aber wir sind ja so schnell weg wie wir aufgetaucht sind. Runter dann wieder herrliche Kurven und es geht viel zu schnell zurück in das Strassenlabyrinth rund um den Bodensee. Gottseidank haben wir das Helmintercom um uns schnell absprechen zu können. Ohne wäre es mit der Fahrt ins Blaue schlecht bestellt.

Am späten Nachmittag kommen wir auf unserem Zeltplatz an. Die Maschinen haben 1A funktioniert. Jedoch stellen wir fest, dass sich an der Kawa Muttern am Auspuffstutzen gelöst haben. M8er Muttern haben wir nicht dabei… werden jedoch auf dem Weg zum Waschhaus an den Regenrinnen fündig. Beste M8 Muttern, die da in Massen verbaut sind. Problem gelöst. Zeit für Abendessen. Mit dem Nahverkehrszug sind wir in wenigen Minuten in Radolfzell und lassen es uns in einem typisch badischen Restaurant richtig gut gehen. Tourplanung bei Spätzle und stark kohlehydratreichen Speisen.

Tagestour 2: Von Radolfzell in das Donautal und über die schwäbische Alp.

Gut gestärkt fahren wir entlang des Bodenseeufers bis Überlingen, hier schwenken wir nach Norden, hinauf Richtung Pfullendorf. Ein letzter Blick auf den See, dann geht es über prima Landstrassen und durch kleine Ortschaften hinein in das wahre Schwaben. Dachte man erst noch, es würde eine nette flotte Landpartie durch die Hügel werden, wurde man schnell freudig überrascht: allerbeste Kurven und lange Passagen feinster Kehren. Die G Kräfte können sich frei entfalten und unsere Bikes zeigen wofür sie damals gebaut wurden. Keine elektronische Regelung steht zwischen uns Fahrern und der Reaktion der Maschinen auf das Gelände. Je näher wir dem Donautal kommen, umso interessanter ist die Strecke. Durch Orte wie Bietingen und Thalheim erreichen wir das berühmte Kloster Beuron.

Die Yamaha war allerdings der Meinung, dass als viel zu gut läuft und hat sich entschlossen mitten in einem Kreisverkehr ein paar Schrauben von der linken Lenkerarmatur zu verlieren. Das Kästchen ist auf Abflug. Panik bei Barbara, Gottseidank hat Klaus die stets bewährten Kabelbinder dabei. Schnell ist alles repariert und es geht weiter nach Fidingen. Hier gibt`s erstmal Tankstellensuche ehe wir das Donautal der Länge nach durchqueren.

Fahrspaß pur ! Der Fluß hat eine grandiose Landschaft erschaffen aus bizarren Felsen, Steilwänden und sattem Grün. Der Naturpark den wir hier durchfahren dürfen hält alles was das Bikerherz sich wünscht. Muss man gesehen und gefahren haben!

 

Wir begegnen wieder vielen Motorradkollegen und geraten sogar in den Streckenabschnitt einer Rallye. Bewußt nehmen wir uns immer wieder Zeit stehen zu bleiben und alles auf uns wirken zu lassen. Viel zu schnell lassen wir das enge Tal hinter uns und kommen bei Sigmaringen wieder hinaus auf die Alp.

Hier geht es wieder entspannt über Land. Das Zwischenziel ist nun die Heuneburg. Eine keltische Ausgrabungsstätte mit Freilichtmuseum. Man kann sehr gut verstehen warum unsere Vorfahren in dieser Gegend so erfolgreich gesiedelt haben. Bestimmt hatten auch sie schon Spaß an der Strassenführung. Nach Kultur und Kaffee geht es weiter über Ostrach, Heiligenberg nach Stockach. Immer parallel zum Bodensee in einer Landschaft die man als schwäbische Toskana bezeichnen könnte. Je näher man dem See kommt, umso mehr findet man sich in Obstplantagen wieder.

Es ist schön durch Kurven und Alleen zu cruisen und zugleich Augen für die Landschaft haben zu können. Die Strassen sind in bestem Zustand Wir queren hinüber bis über den Westzipfel des Sees hinaus. Der Kurvenspaß will gar nicht enden. Irgendwo vor Stockach schwenken wir zurück und wollen noch einmal knapp über dem See  traversieren. Bei Deisendorf lassen wir es gut sein und pfeilen hinunter zum Seeufer. Ein schönes Cafe lädt uns zum Verweilen ein. Hier am See herrscht sommerlicher Badebetrieb. Ein schöner Kontrast zu unseren Fahrten im Hinterland. Die Fahrt zurück nach Radolfzell geht schnell, wir kennen jetzt schon alle Baustellen und verrückten Kreisverkehre. Wie überall entlang des Sees ist die Strecke mit Radarfallen gespickt. Aber uns erwischen sie nicht!

Am Zeltplatz dann wohlige Entspannung. Wir lobpreisen die Motorräder die uns so treu und sportlich durch diese Landschaften gebracht haben. Noch einmal schwäbische Hausmannskost genießen und zwei herrliche Tage Revue passieren lassen. Am nächsten Tag auf der Heimfahrt sprechen wir nur über die unglaubliche Vielfalt und das Fahrvergnügen mit denen diese Gebiete aufwarten.

Wir kommen wieder. Es gibt noch so viel zu sehen…der Nordschwarzwald… noch mehr Schwaben… Zurück zuhause denken wir noch lange an unsere Freestyler Tour: noch nie haben wir uns so oft verfahren und dabei so viel Schönes entdeckt. Abseits der ausgetampelten Pfade warten oft die schönsten Erlebnisse.